exhibition

VI. Serie

Vincent Van Gogh, Cuno Amiet, Hans Emmenegger, Giovanni Giacometti
ID: 1338, Status: completed
Exhibition period:
Jul 10‒26, 1908
Type:
group
Organizing Bodies:
Kunsthaus Zürich
Currency:
SFr. (Swiss Franc)
Ticket Price:
1 [forenoon]; 0.50 [afternoon]
Quickstats
Catalogue Entries: 80
Types of Work: unknown: 80
Artists: 4
Gender: female: 0, male: 4
Nationalities: 2
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Date Title City Venue Type
Opening Hours
10am - 7pm
Catalogue
VI. Serie. Vincent Van Gogh; Cuno Amiet; Hans Emmenegger; Giovanni Giacometti. 1908.
Nr. of pages: 7 [PDF page number: 8].
Holding Institution: online: Kunsthaus Zürich
Preface
Dr. Paul Fechter: Vincent Van Gogh, p. 2-5

"VINCENT VAN GOGH

Als sein Name bekannt zu werden begann, war er längst tot. Bei seinen Lebzeiten hat niemand ausser den wenigen Freunden von ihm gewusst. Er selbst hat niemals den Versuch gemacht, hervorzutreten, oder gar seine Bilder zu verkaufen. Er signierte sie nicht einmal, setzte höchstens dann und wann seinen Vornamen darunter — wie unter einen Brief, und verschenkte sie. Von der Zukunft erhoffte er nichts — und als er fühlte, dass er am Ende war, ging er. Als der Doktor ihn mit der Kugel im Leibe fand und nach dem Warum fragte, zuckte er die Achseln.
Sein Werk gibt ihm Recht. Wer die letzten Arbeiten aus Arles und Auvers-sur-Oise sieht, fühlt, dass der Mensch, der dieses schuf, auf der Höhe und am Ende war. Er hatte den Gipfel erreicht, gesagt, was er zu sagen hatte; so musste er gehen. Mit jedem Werke gab er ein Stück tiefsten Lebens, — immer brennender, konzentrierter, reicher, je weiter er kam; als er das letzte gegeben hatte, machte er ruhig, wissend, selber ein Ende.
In der Tragik dieses Lebens liegt die Tragik aller Schaffenden. Van Gogh war nicht Maler in dem Sinne, dass er einen Ausschnitt der Sichtbarkeit des Daseins zu einem farbig formalen Organismus zu gestalten, Bilder zu machen strebte; er griff nach Stift und Farbe, um dem,
was die Umwelt in ihm auslöste, einen immer klareren, immer einfacheren Ausdruck zu geben — um das glühend Gefühlte formend mitzuteilen. Er hatte begriffen, dass «die Kunst vom Menschen nur geschaffen worden ist, damit die Seelen sich über die Gesetzlichkeit der Welt (oder wie man es sonst gerade nennen will) unterhalten können und weil es keine andere Verständigungsmittel dafür gibt als eben die Kunst». Er hatte es zuerst auf allerhand anderen Wegen versucht, war Kunsthändler, Lehrer gewesen, als [p. 2]

Laienprediger zu den Bergleuten des Borinage gegangen; er kehrte zur Kunst zurück, weil er erkannte, dass er nur hier sein Letztes, Persönlichstes, geben und doch zugleich stärkste Faktoren der Gemeinsamkeit schaffen konnte.
Van Gogh begann, nach einem Wort Meier-Graefes, mit Nichtigkeiten, die auf die Laufbahn des schlimmsten Kitschmalers schliessen lassen. Mauve, Mesdag, Jacob Maris gaben ihm die ersten Grundlagen; daneben die alten Holländer im Haag. Mit zäher Energie arbeitete er, selbstlos, zurückhaltend, wie nur irgend ein in akademischem Respekt Erzogener. Seine Farben sind gedämpft, schwer, fast erdig; die Zeichnung — er hat mit unendlichem Fleiss
immer wieder gezeichnet — korrekt, zögernd, beinahe langweilig. Anfänge einer eigenen Formgebung tauchen auf, als er in Nuenen Bauern zu malen beginnt; die bekannten Aardappoleters sind ein Beweis dafür, ebenso die Bauernzeichnungen aus dieser Zeit. Seine eigentliche Entwicklung setzte erst ein, als er 1886 nach Paris kommt, als er zuerst statt des Tones und der Linie die Farbe als Ausdrucksmittel kennen lernt. Die ungeheure Grösse Delacroix’ tut sich dem Schüler der Holländer auf — daneben die moderne Analyse des Impressionismus und die Japaner. Ungeahnte Ziele tauchen auf, er sieht neue Ausdrucksmöglichkeiten aus der Berührung des Neuen mit dem, was er bereits besitzt, erstehen, und fängt, sechsunddreissigjährig, noch einmal von vorne an. Mit «mühsamer Analyse» beginnt er. «Seine ersten farbigen Bilder sind farblos im Künstlerischen»; er hat das Aeusserliche gelernt, ohne das neue Auge, das erst das Alte wandelt, zu besitzen. Bald aber fängt er an zu wachsen, aus Eigenem Eigeneres zu geben. Er nähert sich Seurat, kommt mit manchem seiner besten Stücke der stillen Schönheit Sisleys nahe — und durchläuft in kaum zwei Jahren die ganze Entwicklung, die die neue Malerei von den Alten bis auf heute durchlaufen hatte. Als er 1888 Paris verlässt, hat er sich zu eigen gemacht, was er nur irgend erreichen konnte; jetzt beginnt sein Schaffen. Wie Gauguin nach der duftenden Insel, so zog er sich aus dem verwirrenden Leben von [p. 3]

Paris zurück, um in der Stille der Provence, in Arles, nun ganz zu sich zu kommen, sich zu geben.
An das Werk dieser zwei Jahre denkt man heute zuerst bei seinem Namen. Wohl mit Recht. So viel Schönes und Feines aus der Pariser Zeit vorliegt — vor den Offenbarungen der letzten Phase verblasst alles. Das dort Analysierte wird hier mit ungeheurer Kraft zusammengefasst,
zu immer grösserer, immer intensiverer Einfachheit. Das Naturgefühl des Holländers steigert sich unter der südlichen Sonne bis zur Raserei; er ringt mit den Dingen, bis er sie zu stärkstem, glühendstem Lebensausdruck gezwungen, das Innerste, Letzte aus ihnen und zugleich aus sich heraus geholt hat. «Er malte seine Bilder nicht, er stiess sie aus.
Er fühlte sich nicht dabei, war eins mit dem Element, das er darstellte, malte sich selbst in den lodernden Wolken, in denen tausend Sonnen der Erde Zerstörung drohen, in den entsetzt zum Himmel aufschreienden Bäumen, in der schrecklichen Weite seiner Ebenen.» Es ist, als ob zwischen Mensch und Umwelt alle Schranken gefallen sind; er reisst die Dinge wie im Paroxismus in sich hinein und formt sie unmittelbar zu neuem Leben, rastlos, unaufhörlich, bis er selber zusammenbricht. Die furchtbare Lebensfülle dieser letzten Werke ist nicht auszusagen. Es ist, als ob das innerste, geheimste Sein der Dinge nackt und unverhüllt sich aufrecht, zu fessellosem eigenem Leben erwacht. Und nicht nur die Dinge, — noch die Farbe reckt sich, in Flammen aufzüngelnd, zu selbständigem Dasein empor. Das Blau kämpft mit dem Gelb, das Grün mit dem Rot — und doch bleibt das Ganze gebändigt von der Hand des Meisters. Alle Glut und alle Ekstase bleibt unter dem Gesetz: «die Wildheit wird Dekoration, wird Schönheit, letzte, intensivste Kunst!» Und als er erlahmt, als die Kraft des Bändigers erschöpft ist, macht er freiwillig ein Ende, — weil er würdig, in Freiheit und noch über dem Dasein stehend, abschliessen wollte.
Man hat in seinem Werke die Spuren des Wahnsinns entdecken wollen. Meier-Graefe entgegnet mit Recht: «Dass der Mensch wahnsinnig war, als er seine herrlichsten [p. 4]

Bilder schuf, sagt von seiner Kunst nicht mehr als von Delacroix die Tatsache, dass dieser zuweilen an Magenbeschwerden litt, und von Gericault, dass er sich ein Bein brach! » Die Bewusstheit, die ihm bis zuletzt blieb, hat ihn über jedes Pathologische weit hinaus gestellt. Schwerer könnte vielleicht das dunkel vor diesem Werk aufsteigende Gefühl bedrücken, dass ein Mensch, der solches schuf, zu diesem Ende kommen musste. Der Entwicklungshistoriker der modernen Kunst hat auch hier das befreiende Wort gefunden: « Die Geste, mit der er sich des Lebens entkleidete, war zu einfach und selbstverständlich, um uns über Gebühr zu beunruhigen. Er ging, weil er nicht mehr weiter konnte. Tragisch ist, dass ein Mensch wie dieser, rein und stark wie kein zweiter, an seiner Reinheit und Stärke zersprang, dass sein Altruismus, mit Wundern gesegnet, die vor den schönsten Märchen der Alten nicht zurückstehen, isoliert bleiben musste und wie der Schrei eines Kindes im Getümmel verhallte. Tragisch ist, dass wir unsere Helden nur noch als Anomalien zu erzeugen vermögen. Doch versöhnt uns mit dem Geschick das unsterbliche Werk, das van Gogh zurückliess. »

Dr. PAUL FECHTER. [p. 5]"
Catalogue Structure
Preface "Vincent van Gogh", p. 2-5
Cataloge, cat. no. 1-80, p. 6-7
Additional Information
Participant Addresses listed

+Gender Distribution (Pie Chart)

+Artists’ Age at Exhibition Start(Bar Chart)

+Artists’ Nationality(Pie Chart)

+Exhibiting Cities of Artists(Pie Chart)

+Catalogue Entries by Type of Work(Pie Chart)

+Catalogue Entries by Nationality(Pie Chart)

Name Date of Birth Date of Death Nationality # of Cat. Entries
Vincent van Gogh 1853 1890 NL 41
Cuno Amiet 1868 1961 CH 18
Hans Emmenegger 1866 1940 CH 10
Giovanni Giacometti 1868 1933 CH 11
Recommended Citation: "VI. Serie." In Database of Modern Exhibitions (DoME). European Paintings and Drawings 1905-1915. Last modified May 25, 2020. https://exhibitions.univie.ac.at/exhibition/1338