exhibition

[XI. Jahrgang. III. Ausstellung]. Katalog der Ausstellung des Nachlasses Walter Leistikows


ID: 884, Status: proof read
Exhibition period:
Nov 14‒Dec 13, 1908
Type:
solo
Organizing Bodies:
Paul Cassirer
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Catalogue Entries: 120
Artists: 1
Gender: female: 0, male: 1
Nationalities: 1
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Date Title City Venue Type
Date Title City Venue # of common Artists
1908 Max Liebermann, Louis Corinth, Walter Leistikow, Max Slevogt kiállitása [Exhibition of Max Liebermann, Louis Corinth, Walter Leistikow, Max Slevogt] Budapest Könyves Kálmán Szalon 1 artists
Jan 20‒Feb 20, 1905 VII. Jahrgang. Winter 1904/1905. IV. Ausstellung. Berlin Paul Cassirer 1 artists
Oct 19‒Nov 3, 1907 X. Jahrgang. 1907/1908. II. Ausstellung. [Kollektionen Philipp Franck, Ferdinand Hodler, Walter Leistikow, Karl Walser] Berlin Paul Cassirer 1 artists
Oct 1‒Nov 10, 1905 [VIII. Jahrgang. I. Ausstellung. Kollektion Claude Monet] Berlin Paul Cassirer 1 artists
Jan 5‒16, 1911 XIII. Jahrgang. Winter 1910/11. V. Ausstellung. [Corinth "Golgatha"] Berlin Paul Cassirer 1 artists
mid/05/1912 - 09/1912 XIV. Jahrgang. Winter 1911/1912. IX. Ausstellung. [Sommerausstellung] Berlin Paul Cassirer 1 artists
ca. 10/07/1914 - 11/10/1914 XVI. Jahrgang. 1914. Sommer-Ausstellung Berlin Paul Cassirer 1 artists
07/1913 - end/09/1913 [XV. Jahrgang. 1912/13. Zehnte Ausstellung. Sommerausstellung] Berlin Paul Cassirer 1 artists
Nov 1‒Dec 2, 1906 [IX. Jahrgang. II. Ausstellung. Kollektionen Max Liebermann und Walter Leistikow] Berlin Paul Cassirer 1 artists
Oct‒Nov 1913 Eröffnungsausstellung. Kölnischer Kunstverein Cologne Gemäldegalerie des Kölnischen Kunstvereins 1 artists
Nov 1909 Eröffnungs-Ausstellung November 1909. Moderne Galerie München Munich Moderne Galerie (Heinrich Thannhauser) 1 artists
Mar‒May 1905 XXIII. Ausstellung der Vereinigung Bildend. Künstler Österreichs Secession Vienna Gebäude der Secession 1 artists
Dec 1906 Zwölfte Kunstausstellung der Berliner Secession. Zeichnende Künste Berlin Paul Cassirer 1 artists
Dec 7‒30, 1906 [IX. Jahrgang. III. Ausstellung. Schwarz-Weiss Ausstellung der Berliner Secession] Berlin Paul Cassirer 1 artists
Jan 1913 1888-1913. Kunstsalon Fritz Gurlitt Berlin Fritz Gurlitt 1 artists
1910 Katalog-Auszug eines Teiles der im Besitze der Modernen Galerie befindlichen Werke Munich Moderne Galerie (Heinrich Thannhauser) 1 artists
Dec 6, 1907‒Jan 5, 1908 Vierzehnte Ausstellung der Berliner Secession, Zeichnende Künste Berlin Paul Cassirer 1 artists
Oct 1911 Kunst unserer Zeit in Cölner Privatbesitz Cologne Wallraf-Richartz-Museum 1 artists
Jan 1909 Exhibition of Contemporary German Art New York Metropolitan Museum of Art 1 artists
Nov 27, 1909‒Jan 9, 1910 Neunzehnte Ausstellung der Berliner Secession. Zeichnende Künste Berlin Ausstellungshaus am Kurfürstendamm 208/9 1 artists
Jun 13‒Jul 2, 1911 Kunstausstellung aus Essener Privatbesitz Essen Kunstmuseum 1 artists
01/061907 - end/10/1907 Internationale Kunst-Ausstellung des Vereins bildender Künstler Münchens (E.V.) "Secession" Munich Königliches Kunstausstellungsgebäude am Königsplatz 1 artists
15/05/1908 - end/10/1908 Internationale Kunst-Ausstellung des Vereins bildender Künstler Münchens (E.V.) "Secession" Munich Königliches Kunstausstellungsgebäude am Königsplatz 1 artists
1907 Dreizehnte Ausstellung der Berliner Secession Berlin Ausstellungshaus am Kurfürstendamm 208/9 1 artists
1908 Fünfzehnte Ausstellung der Berliner Secession Berlin Ausstellungshaus am Kurfürstendamm 208/9 1 artists
May 2‒Oct 6, 1905 2. Deutsche Künstlerbund Ausstellung Berlin Ausstellungshaus am Kurfürstendamm 208/9 1 artists
Apr 1909 Achtzehnte Ausstellung der Berliner Secession Berlin Ausstellungshaus am Kurfürstendamm 208/9 1 artists
1906 Elfte Ausstellung der Berliner Secession Berlin Ausstellungshaus am Kurfürstendamm 208/9 1 artists
Dec 1908 Sechzehnte Ausstellung der Berliner Secession. Zeichnende Künste Berlin Ausstellungshaus am Kurfürstendamm 208/9 1 artists
1906 Dritte Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes Weimar Großherzogliches Museum für Kunst und Kunstgewerbe 1 artists
Feb 16‒Apr 20, 1908 Deutsche Kunstausstellung Bremen Bremen Kunsthalle Bremen 1 artists
Feb 17‒Apr 15, 1906 Internationale Kunstausstellung Bremen Bremen Kunsthalle Bremen 1 artists
May 1‒Oct 20, 1907 Internationale Kunstausstellung Mannheim Mannheim Kunsthalle Mannheim 1 artists
Feb 9‒Mar 24, 1909 Akvarellek, pasztellek és grafikai művek nemzetközi kiállitása [International Exhibition of Aquarelles, Pastels and Graphics] Budapest Műcsarnok 1 artists
Apr 22‒Oct 31, 1907 VII. Esposizione Internazionale d’Arte della Città di Venezia Venice Giardini Pubblici 1 artists
01/06/1905 - end/10/1905 IX. Internationale Kunstausstellung Munich Königlicher Glaspalast 1 artists
Catalogue
[XI. Jahrgang. III. Ausstellung]. Katalog der Ausstellung des Nachlasses Walter Leistikows. Imberg & Lefson 1908.
Nr. of pages: 35.
Holding Institution: online: archive.org
Preface
Elias, Julius: Walter Leistikow, p. 7-19

"WALTER LEISTIKOW
von JULIUS ELIAS

Am 24. Juli 1908 ist Walter Leistikow, dreiundvierzig Jahre alt,
gestorben. Einen, der 'allen Tränen entrückt ist, haben die Parzen
verletzt.' In stillem, heldenhaftem Kampfe hatte er schon lange das
Leben überwunden, und er endete mit dem Glorienschein eines Siegers
ums Haupt. Der Heimgang eines Künstlers, der im Gefühl der Zeitgenossen
lebte, ist nicht wie der Tod anderer Menschen: die sterben nur wenigen
Freunden, in dem Künstler aber ist der weiten Welt ein Freund ge-
storben. Allen Gegenwärtigen 'regt er Sehnsucht auf', und der
jugendlich Verendete stirbt 'jedem Künftigen aufs neue'. Es sind
Freunde, die zu dem Totenfeste dieser, Leistikows Lebenswerk krönen-
den Nachlassausstellung wandern. Und während sie im Kunstwerk
anschauen, was er war und was er uns war, will ich von dem Schöpfer
dieser landschaftlichen Empfindungswelt erzählen: in welchem Licht
er mir erscheint als Maler, als Mensch, als Literat. Wie man von einem
alten Kriegskameraden erzählt. Die Geschichte der neueren Berliner
Malerschule ist eine Geschichte von Kämpfen: mit der künstlerischen
Tradition, mit der staatlichen Kunstübung, die zwar im Besitz ist, aber
meistens nicht im Recht, mit dem Publikum und nicht zum wenigsten
mit sich selbst. 'Die Schule dieser Tage durchgegangen', dies heisse
Schule, kann man ihre immerhin erfreulichen Ergebnisse heut mit
kühlerem Gemüt überschauen.
Im Kreis unserer 'Freien Bühne', unter Dichtern, Mimen und
Kritikern hat sich einst ein junger Maler getummelt, der für eine
ringende Seele galt und dessen künstlerische Anschauungen wie Be-
mühungen umfassender und tiefer waren, als das sonst wohl bei jungen
Malern der Fall zu sein pflegt. Diese ringende Seele war am Friedrichs-
hagener Musenberg angesiedelt, wo damals die Gerhart Hauptmann,
Max Halbe, Brüder Hart, Bruno Wille, Wilhelm Bölsche im Frühling
ihres Zornes alte Künste zerschlugen und ein Neues zu erschaffen
suchten. Leistikow war auf dieses Milieu durch den glücklichen Verkehr
mit einer Familie vorbereitet worden, in deren begabtem Geschwister-
kreise man eine sehr feine Witterung für literarische und künstlerische
Fortschritte hatte. Die besseren, weil gesehenen und erlebten Teile
jener nicht eben originellen Erzählung, worin Leistikow ein tastendes
Menschenkind „auf der Schwelle" ins Künstlerdasein zeigt, füllt die
Schilderung dieser halb zigeunernden, halb durch frühere Gesellschafts-
kultur glänzenden Familie aus.
Hier also liegen die Keime dessen, was später die eine, sehr wichtige
Seite seines Wesens ausmachen sollte: der Maler Leistikow lehrt Kunst,
dichtet Romane und Dramen, schreibt Kunstkritiken. Wie heutzutage
in den meisten Gelehrten, so steckt in sehr vielen Künstlern ein Stück
Journalist. Nicht dass alle selbst schrieben, aber sie finden — sei's
planlos, sei's mit Absicht — ungezählte Kanäle, um die Federn der
Schreibenden zu beeinflussen, und oft, wenn ich über diesen Maler oder
jenen lese, ist mir, als ob der Schriftsteller bei aller Redlichkeit doch nur
darstelle, wie der Künstler selbst sich und sein Werk der Nachwelt über-
liefert zu sehen wünscht. . . . Das ist in Leistikow die eine Seele:
die ars militans, die literarische Surrogate verlangt. In Leistikow, der
den 'Literaturfrühling' mitschauend, mitbauend erlebt hatte, dämmerte
zeitig etwas von einem Kunstfrühling, etwas von frischer, fröhlicher
Ritterschaft auf. Er verteidigt den verfemten Edvard Münch in einer
ebenso starken wie schwelgerischen Jugendsprache; die erste Reise nach
Paris, die ihm zuerst das Auge öffnete für die wahrhaft treibenden
Kräfte der modernen malerischen Bewegung, lässt ihn gegen die grossen
Kunstmärkte Front machen und für die vereinfachten Ausstellungen,
die 'kleinen intimen Arrangements', schwärmen; er verteidigt das Recht
der 'Elf', und als nach Jordans Misswirtschaft Hugo von Tschudi über
das wüste Grau unseres neueren Museumwesens helleren Tag herauf-
zuführen begann, da schützte Leistikow — mit reiferen Argumenten
und mehr abgewogener Rede — den einsichtigen, geschmackvollen und
tüchtigen Mann gegen die offen wie verkappt kämpfende Wernerpartei.
Eben jetzt täte uns wieder solch ein getreuer Eckart aus der Schar
der bildend Schaffenden und schaffend Bildenden not; ein Eckart,
der tüchtig vom Leder zu ziehen versteht.
Der Verein der 'Elf' war 1892 frisch ins blühende Leben gesprungen;
doch dieses Märzenkind brachte nur so etwas wie einen künstlerischen
Vorfrühling; bis der wirkliche Lenz anbrach, das währte noch eine gute
Weile. Wohl bestand ein feiner Zusammenhang zwischen der 'Freien
Bühne' und dieser Künstlerschöpfung; beide haben das Zeichen einer
neuen Zeit in ein Brachland gepflanzt. Aber die Tätigkeit der 'Freien
Bühne' war auf ihrem Gebiete weit entscheidender, durchgreifender,
erfolgkräftiger als der mit stilleren Mitteln geführte Malerkampf der
'Elf'. Der war nur das Vorspiel zu einem späteren wirksameren Stück.
Doch hätte bei seinen begrenzteren und schwächeren Einflüssen dieser
Klub auch kein anderes Verdienst gehabt, als der Kraft Max Lieber-
manns den Sieg erleichtert, als Walter Leistikow zur Entdeckung seiner
Persönlichkeit geführt zu haben : es wäre genug und wert des Schweisses
von elf Edlen.
Das war der eine grosse Glücksfall in Leistikows Leben, dass er
Max Liebermann kennen lernte, dass er in mehr als gewöhnliche
Künstlerbeziehungen zu ihm treten durfte. Was ihm Eschke und Gude
als Förderer gewesen sind, soll nicht verkannt werden, und was er an
guten Fertigkeiten, an nützlichen Palettenkünsten bei ihnen erlernte,
braucht man nicht zu unterschätzen. Besonders Eschkes zäher Glaube
an Leistikows künstlerische Willensenergie, die von den Schulmeistern
so sehr verkannt wurde, dass sie ihn 1883 als 'talentlos' aus derAkademie
hinauswarfen, ist wahrhaft rührend. Leistikows Schwester Hedwig holt
eben jetzt aus Familienpapieren einen Brief Eschkes vom Februar 1885
hervor, worin es heisst: 'Walter hat — ich sage: Gott sei Dank — kein
blendendes Talent, das jede Schwierigkeit im Fluge überwindet, dem
alles spielend leicht wird, um deswillen aber häufig zu Sorglosigkeit
und Leichtfertigkeit führt, — nein, er muss sich jeden Fortschritt mit
Ernst, Mühe und Ausdauer erkämpfen, wird aber darum nur stärker und
kräftiger werden und auch an Charakter gewinnen.' So schrieb der
alte gütige Malerpädagoge wie in Erinnerung an die eigene Werdezeit,
er, der selbst weise und resignierend seine Gaben zu nützen gewohnt
war. Anders die Epoche Liebermann. Leistikow ist der feinste Typus
derer, die auf den Spuren des bedeutenden Pioniers weitergekommen sind;
er ist es, ohne eigentlich Liebermanns Schüler gewesen zu sein, d. h, in
seinem Atelier sich technische Vorteile erwirkt oder ihn in formalen
Dingen nachgeahmt zu haben. Doch Liebermann hat ihn mit leiser Hand
zur Naivetät der Naturerfassung hingeführt : unter dem geheimen Druck
dieser Hand erwachte der frühere Eschke-und Gudeschüler gleichsam noch
einmal zur Kunst : er fing an zu malen, als ob er nie vorher gemalt hätte.
Liebermann hat das Auge Leistikows frei und hell gemacht : die Natur
nicht zu 'studieren', in ihr zu pflücken, sondern in der Ganzheit ihrer
Äusserungen lieben zu lernen; Motive nicht zu 'suchen', vielmehr zu
finden; sie nicht nach künstlichen und äusseren Gesetzen zu runden,
sondern sie da abzuschneiden, wo es die Empfindung von der inneren
Geschlossenheit des realen Eindrucks gebietet. Durch Liebermann
bekam Leistikow erst Witterung vom wahren Geiste der Natur, die
echte und rechte Gefühlsbildung. Oder eigentlich: Liebermann löste
ihm das Geheimnis des Naturlebens, zu dem ihn schon die schlichten land-
schaftlichen Eindrücke seiner Kindheit hingezogen hatten. Der schön-
heitsfrohen Mutter schrieb er in dem entscheidenden Jahr 1893:
'Ist diese Jugend, die ich unter Deinen Händen verlebte, nicht der
grösste Schatz, den mir die Gottheit gegeben hat ? Was wäre ich ohne
diese Jugend, ohne diese Tage an Eurer Seite ? Sie sind für mich, für
mein Gefühlsleben ein unerschöpflicher, köstlicher Brunnen. Ich werde
daraus Wasser schöpfen und trinken mein Leben lang.'
Man braucht Leistikow nicht für Liebermanns Pair zu halten und
darf doch zwischen ihnen verwandte Anlagen feststellen: in beiden ist
ein Stück von einem Dichter. Leistikow ist immer in Feiertags-
stimmung. Er liebt den Wald, und der Wald verkündet ihm; er liebt
die spiegelglatten Gewässer, und die melancholische Seele der Natur er-
scheint ihm in diesem reinen Spiegel. Auch bei Leistikow muss man —
mit jenem gewissen Körnchen Salz — an Millet denken: der geht in
den Wald und kommt zerschlagen zurück. Es ist dort eine 'Ruhe, eine
erschreckliche Grösse', dass er sich auf der Furcht ertappt: 'Ich weiss
nicht, was dieses Gesindel von Bäumen mit einander schwätzt ; — aber,
etwas sagen sie sich, etwas, das wir nicht verstehen, weil wir nicht die-
selbe Sprache reden. Nur eines glaube ich, dass sie keine schlechten
Witze machen.' Durch Leistikows märkische und dänische Wald-
bilder geht ähnlich ein starker Zauber des Mystischen, das wehmütige
Bangen vor einer dämonischen Naturmacht.
Der andere Glücksfall im Leben Leistikows war, dass er seine
spätere Frau Anna, geborene Mohr, kennen lernte. Durch seine Gattin
kam Leistikow nun nahezu Jahr für Jahr nach Dänemark, in Anna
Mohrs schönes malerisches Heimatland, und vor allem zu Meister
Willumsen, jenem sonderbaren Dekorateur in der Malerei Dänemarks.
Es ist wohl zu bemerken, dass von allen Verehrern Liebermanns dieser
überzeugteste und ehrlichste nicht nach Frankreich oder Holland dem
Meister nachgezogenist : Leistikow war der einzige, der das nicht getan hat.
Er wurzelt als Maler in der Mark oder im engeren oder weiteren Heimat-
lande seiner Frau (die gewissen Studienfahrten in die schwedischen
Schären und ins norwegische Hochland subsummiere ich unter Gross-
Skandinavien). In der Mark zog ihn die dürftige, fast traurige Schönheit,
in Dänemark die geschlossene Lieblichkeit an. Hier offenbare, dort
verhaltene Reize. Zuerst nun kommen die Jahre, da Leistikow nur
malte, um in die Natur vor- und einzudringen, die Natur malte um der
Natur willen. Wälder, Felder, Auen, Seen, Dünenländer, Sandstrecken,
Flussläufe, Becken stillen Wassers — in allen Jahreszeiten. Er geniesst
unbefangen die schöne Stunde der Natur, mit verhaltener Leidenschaft,
in künstlerischem Befriedigtsein. Es ist ein stilles Abwandeln der
Natur — ein einziges Sommeridyll des Malers. Die Farbe muntert sich
leis auf; in seinen Berliner Schultagen war sie Farbe der Palette ge-
wesen, kalt und lackig; zunächst aber beginnt er nur langsam und
zögernd die Farben zu entdecken, die die Natur hat. Weisse Dünen-
bilder, sonnige Wiesen — alles in monoton nebliger Auflösung. Die
französische Lichtbotschaft und die schottische Farbenpoesie schlagen
nun kräftiger in die deutsche Kunst ein. Und jetzt hebt auch Leistikow
eine verhältnismässig schimmernde und lebensvolle Farbe aus der
Landschaft, — die Farben der absteigend-hellen, schattigen, dämmernden,
dunkelnden Welt, den malerischen Gehalt des reflektierten Lichts. Er
malt die kühlen Waldeinsamkeiten im Halbschlummer — in rosigen und
gelben dünnen Schwaden zittert der letzte Schein des Abends um die
starr ragenden Stämme; verschwiegene Seen mit auf- und niederhuschen-
den Lichtern; im Winterschnee, der das Licht glitzernd zurückhält,
oder im Sommerdunste; Felder, über die Wolkenzüge tiefe wohlige
Schatten werfen.
Jetzt aber kommt die Zeit, da jenes Stück Literat, das in ihm
steckte, wesentlich in seine Malerei hineinspielt. Er malt Volkslieder,
Elegien, Dithyramben, Märchenstücke. Diese Epoche war noch der
Einsichtigen Meinung nicht die glücklichste. Es war die Epoche, in der
es hiess: die Natur an sich genügt nicht. Einwirkungen leisteten:
Puvis de Chavannes' von moderner Seele erfüllte antikisierende Ideal- und
Phantasiewelt, das (mehrfach abgeleitete und populär gewordene) Werk
Ludwig von Hofmanns und endlich — was noch nicht beachtet worden
ist — eine glühend erwachte Schwärmerei für Maeterlinck. Leistikow
sieht zu Paris (in Lugne-Poes 'Oeuvre') 'Pelkas und Melisande'
und schreibt (1893) an die Zeitschrift 'Freie Bühne': 'Man
muss Maeterlinck kennen und lieben, wie ich ihn liebe, um dieses
künstlerische Ereignis würdigen zu können. Ich wüsste niemand, der
besser malte als dieser Dichter. Seine Werke sind gesprochene Malerei.
Und diese Aufführung ist eins der grössten malerischen Kunstwerke,
die die Neuzeit hervorgebracht hat. . . Klug ist Paris, und schnell hat
es begriffen, dass hier ein Dichter, dessen Wirken vorwärtsschaffend und
erlösend, einer neuen Kunst Wege ebnet.' Noch erinnere ich mich, wie
Leistikow, ein hell Begeisterter, mir zusetzte, bei meinen Genossen
von der 'Freien Bühne' (dem dramatischen Verein) eine Aufführung
des Maeterlinckschen Werkes anzuregen, — er erbot sich sogar, die
Dekorationen zu malen. . . Nunmehr pflanzt er selbst in das Stück
ruhevoller Gotteswelt, das er malt, gleichsam redende Symbole, — er
lässt aus abenddunklem Wasser das Haupt einer Nixe tauchen oder über
das stille Meer tief fliegende, wandermüde Vögel streifen. Dieses immer-
hin äusserliche Verfahren musste ihn freilich der Natur und ihrer ein-
fachen Darstellung einigermassen entfremden.
Dann aber fand er bis zu einem gewissen Grade seine Freiheit
wieder in einer monumentalen Auffassung der Landschaft. Das
Idyllische seines Wesens klingt gross, voll, stark und doch so zärtlich.
Man hat dieses stilisierende Zwischenspiel bedauert, und die Kritiker
haben Leistikow gewarnt, diesen Weg neben der Natur her (und
manchmal von ihr fort) weiter zu gehen. Ich selbst gehörte zu den
Warnern; heut aber sehe ich die Sache mit etwas anderen Augen an.
Vielleicht war das Ganze nur ein organisatorischer Fehler, indem
Leistikow rein dekorativ und a buon fresco empfangene Werke ein-
rahmen liess und sie so als Bilder behandelte. In die Wände schöner
festlicher Hallen eingelassen oder nach dem malerischen Modell gross-
zügig aufs Mauerwerk hingestrichen, hätten sie wahrscheinlich ein
neues Stück Wesenheit in Leistikow enthüllt. Es fehlten aber Aufgabe
und Auftrag. In wie manchem General steckt nicht ein Schlachten-
gewinner, — doch um Schlachten zu gewinnen, muss Krieg sein, und
unser General ist in einer Zeit ewigen Friedens geboren. Leistikows
aufrichtige Überzeugung war: dass man mit starker künstlerischer
Wirkung Landschaften ohne alle Staffage auf weite Wände hinwerfen
könne. Schon die ersten Stadien der furchtbaren Krankheit, die ihn
vernichten sollte, hemmten, rein mechanisch, sein Bemühen, sich in
der Monumentalkunst weiter zu erproben; er konnte keine Leiter mehr
besteigen. Man betrachte die Fragmente dieses vorzeitig unterbrochenen
Betriebs nur einmal genauer. Sie wirken dekorativ durch ihre Form:
die Motive und ihr Geist aber sind das Einfachste, Reliefloseste, Un-
heroischeste. Die Spitze eines sanft-traurigen Sees, von hohen Föhren
umschlossen — eine Gruppe von Baumstämmen — ein welliges, schlicht
gegliedertes Land — ein Ackerbruch. Alles ohne 'Staffage'. Nie tritt
ein menschliches Wesen in das Naturbild ein; höchstens einmal ein
beschwingtes Tier. Es ist wieder die Poesie des Schweigens, der Ver-
lassenheit, die Leistikow so gern malt. Der Beschauer soll seine eigene
Stimmung in der Natur wiederfinden oder durch die Sprache der Natur
gestärkt werden. Ich führe aus Leistikows Roman 'Auf der Schwelle'
einen Passus an, der mir auch für den Maler viel zu bezeichnen scheint :
'Sie gingen unter den niederen Bäumen am Wasser lang. Es dämmerte
stark. Zwischen den dunkeln Stämmen schimmert erregend der blaue
Gischt der schäumenden, strudelnden Fluten. Einen Augenblick blieben
sie stehen und horchten auf das Tosen und Lärmen. Eine sinnliche
Macht ging davon aus.' Leistikows Stil gründet sich auf leise, an-
deutende, abkürzende Mittel. Mit der Farbe arbeitet er nunmehr nicht
allzu stark. Ihm ist das Malerische der Linie aufgegangen. Bei ihm hat
die Linie sinnliches Leben. Bei ihm ist die Linie wesentlicher Förderer
des Stimmungsgehaltes. Meister Willumsen in Kopenhagen pflegt auf
die Zeichnung echtes adäquates Material zu legen. Steine, Sand, Holz,
Tonmodell. Leistikow bringt durch die Linie Wirkungen von Material
hervor : manche seiner Arbeiten gewähren den Eindruck, als seien sie in
Metall getrieben oder gegossene Bilder oder Holzschnitzereien mit
Farbe überzogen. Von hier aus ist der Weg nicht weit zu rein kunst-
gewerblicher Arbeit: Leistikow glückten Teppiche und Tapeten, ihm
misslangen die Möbel. Die Teppiche — sie haben im Ton die feine Gebrochen-
heit der alten Gobelins, im Motiv die Frische nordischer Jugendkunst.
In der siebenten Ausstellung der 'Elf' (1898) hatte Walter
Leistikow sich als die stärkste Kraft hinter Max Liebermann erwiesen.
Während Liebermann aber sehr geneigt war, zu verharren, wollte
Leistikow weiter. Er möchte die Propaganda des Vereins auf einer
anderen, wie er glaubt, besseren Grundlage fortsetzen. Er will die
'Sezession', und er kriegte die 'Sezession'. Im Werbedienst war er
gross (er zog sogar Max Liebermann an sein stürmisch und radikal
schlagendes Herz), in der Organisation noch grösser. Aber die künst-
lerische Neubildung, die terra communis bedeutender malerischer
Erwecker, gab ihm selbst auch das erhöhte Gefühl der Maler-
persönlichkeit zurück. . . Zum ersten Male schildert er das Hoch-
gebirge. Noch sozusagen ein Werk des Ubergangs. Das Bild ist realistisch
und märchenhaft, sinnfällig und romantisch zugleich. Der Maler dieses
Bildes hat sein Motiv nicht erfasst, um einen scharfen Ausschnitt der
Wirklichkeit mit objektiver Schärfe wiederzugeben, vielmehr um zu-
nächst eine Stimmungssache los zu werden. Es ist norwegisches Hoch-
land. Weite deutliche Fernsichten bis zu schneebedeckten Zinnen, über
wogende Hochwälder hin, die vorn in das Bild einschneiden; man
blickt frei zu den Gipfeln und zum Licht und zur grossen Stille. Es ist
das Land, wo die Menschen Ibsens ihr inneres Erlebnis haben, wo
Allmers wandert, den Tod als unsichtbaren Reisegefährten an seiner
Seite; wo Rubek und Irene ihr echtes, ihr höheres Dasein finden.
Ein Bild, das halb die Anschauung, halb die Beschaulichkeit beschäftigt.
Literarische Stimmungen wird man nicht völlig los. Doch auf solch ein
Werk des Kompromisses folgen nun Arbeiten des reifen malerischen
Temperaments, Arbeiten, die ganz klare Natur zu schauen und zu fühlen
geben. Leistikow versucht, systematischer mit der Sonne und gegen
die Sonne zu sehen. Ein Brachland mit Wolkenschatten, eine schöne
Harmonie in Grau und Gold; ein kleines Wasser, das wunderhübsch
gemalt ist, als Element flüssig und feucht. Oder Grunewaldpartien und
-Seen in strengem Tageslicht, oder Seestücke mit halb-kühler, halb-
warmer Atmosphäre oder Schneebilder mit weichen, silbergrauen
Akkorden.
In der Zeichnung fortschreitende Vereinfachung, in der malerischen
Form fortschreitende Aufhellung; eine entschiedene Wendung vom
Kolorieren zum Kolorismus. Der Weg zum impressionistischen Gedanken
liegt jetzt offener vor Leistikow denn je: das für sich bestehende Leben
der Farbe zu schaffen, am farbigen Abglanz das Leben zu zeigen. Willens-
stark wie immer ist Leistikow diesen Weg gegangen. Der Kultus des
Lichtes, zu dessen deutschen Dienern er fortan gehörte, war bei ihm
ohne überschwengliche Leidenschaft, doch voll Charme. In feinem, wohl-
klingendem und gemessenem Rhythmus äusserte sich der farbige Geist
seiner Bilder. Leistikow unterlag nicht der Versuchung, deutsche Land-
schaft mit französischen Augen zu sehen : in konzentrierten glücklichen
Stunden malte er die hellsten seiner Bilder; es war in der Abschiedsstunde
seiner Kunst. Er war noch einmal in den sommerlichen Grunewald
geeilt, um dort am Herthasee in der Arbeit die Ruhe seiner Seele und
Vergessenheit des Körperschmerzes zu finden. Hier gelangen ihm in
wenigen Tagen vier Stücke von grosser Schönheit; er hat sich das Licht
erobert, wie es die Dinge umformt und farbig abstuft und in Trans-
parenz verklärt. Zumal die Seespitze im klaren Glanz der zögernden
Nachmittagssonne; Ruhe, Gelassenheit; wie mahnende Resignation,
die Hängeweide leis ihre Zweige spreitend über diese irdische Herrlich-
keit. Es sind hier architektonische Gliederungen des Grün, wie man sie
auf gewissen Bildern Pissarros findet. Und doch schlägt auf diesen
letzten Bildern Leistikows lebhafter denn je das Herz der deutschen
Landschaft.
Als er den Traum seines Lebens austräumte, da hatte Leistikow
auch in seiner Kunst das Wichtigste vollbracht. Er war gewohnt, in
Bescheidenheit hinter seine Arbeit zurückzutreten. Nie hat man ein
Wort einschätzenden Selbstgefühls aus seinem Munde gehört; er dachte
nicht höher, eher geringer von seiner Kunst, als sie war. Er steht vor uns
als die leibhaftige Selbstdisziplin, als ein grosses Muster künstlerischen
Taktes. Darum behielt er auch sein Leben und sein Schaffen in der Hand.
Er war ein Preusse, — von jener gesunden, gerade empfindenden, ehrlichen
Art, die wie ein rocher de bronce sein kann. Die Person ist nun auf ewig
hinter dem Werk verschwunden; das Werk aber ist ein lebendiger Ein-
satz im Spiel der Kräfte, die der deutschen Kunst jetzt und in Zukunft
den Fortschritt verheissen."
Catalogue Structure
"Ölgemälde", cat. no. 1-50
"Aquarelle, Gouachen, Pastelle und Zeichnungen", cat. no. 51-120
Note
"Sämtliche Bilder sind im Besitze der Erben Walter Leistikows und werden für deren Rechnung verkauft", p.22

Cat. no. 45-50: "Die Echtheit und Unberührtheit dieser nicht signierten Bilder ist von Professor Max Liebermann notariell bestätigt." p. 28
Additional Notes
For one work known to be included in the exhibition but not listed in the catalogue see:
Echte Bernhard; Walter Feilchenfeldt: Kunstsalon Paul Cassirer. Die Ausstellungen 1908-1910. Wädenswil 2013. p. p. 89.

+Gender Distribution (Pie Chart)

+Artists’ Age at Exhibition Start(Bar Chart)

+Artists’ Nationality(Pie Chart)

+Exhibiting Cities of Artists(Pie Chart)

+Catalogue Entries by Type of Work(Pie Chart)

+Catalogue Entries by Nationality(Pie Chart)

Name Date of Birth Date of Death Nationality # of Cat. Entries
Walter Leistikow 1865 1908 DE 120
Recommended Citation: "[XI. Jahrgang. III. Ausstellung]. Katalog der Ausstellung des Nachlasses Walter Leistikows." In Database of Modern Exhibitions (DoME). European Paintings and Drawings 1905-1915. Last modified May 22, 2019. https://exhibitions.univie.ac.at/exhibition/884