Catalogue
Van Gogh. Gauguin. Kunst Salon W. Zimmermann 1908.
Nr. of pages: 8 [PDF page number: 20].
Holding Institution:
Bayerische Staatsbibliothek
Preface
Z., W.: [no title], p. 3-6.
"VINCENT VAN GOGH wurde am 30. März 1853 in Grot
Zundert, einem niederländischen Dorfe der Provinz Nord-Brabant,
geboren. Sein Vater war dort Pastor. Bis zu seinem 23. Jahre war
Vincent van Gogh im Haag, in London und in Paris in den Häusern der
Kunsthandlung Goupil beschäftigt. 1876 entsagte er dieser Tätigkeit,
folgte seinem Drange Schullehrer zu werden, und ließ sich als solcher in
England nieder. Aber nur für kurze Zeit. Bestärkt durch seinen Vater,
wollte er Geistlicher werden, ging 1877 nach Amsterdam, studierte dort
Theologie, kam unbefriedigt von diesem Studium wieder zurück, um im
Jahre darauf in der Borinage als Evangelist bei den Mienenarbeitern auf-
zutreten. Seine ersten Zeichenversuche fallen in diese Zeit. Zum
Schrecken seiner Eltern gab er auch diesen Posten wieder auf, fuhr
nach Brüssel und im Jahre 1881 wieder in die Heimat, wo er für sich
zeichnete und durch seinen Schwager, den Malern Anton Mauve, in
Dessen Atelier im Haag das Malen lernte. In der Provinz Drenthe
und in Brabant malte er auf eigene Faust eine Reihe kerniger
Bilder aus dem dortigen Bauernleben, ging 1885 auf die Akademie in
Antwerpen und im Jahre 1886 nach Paris, wo ihn sein Bruder, der
Kunsthändler Theodor van Gogh, ein außergewöhnlich kunstsinniger
und hochgebildeter Mann, in den Kreis der Impressionisten einführte.
Damals lernte er Gauguin und Emil Bernard kennen, die seine besten
Freunde wurden. Lange hielt er, der so eng mit dem Leben auf dem
Lande verwachsen war, das Großstadtgetriebe nicht aus und zog nach
dem Süden, nach Arles und später nach San Remi. Dort fühlte sich der
große Idealist frei und konnte ganz seiner Kunst und seinen Träumen,
in denen er alle Menschen beglückt sah, leben. Er malte mit einer
so flammenden Begeisterung und Energie wie wohl selten ein Anderer.
Meier-Graefe sagt: "Alle seine Bilder sind Kämpfe, Kämpfe im wört-
lichen Sinne, er malte, während ein Sessel von dem Mistral ge-
schüttelt wurde; die Effekte, die er suchte, dauerten manchmal nur
kurze Momente und mußten in einer Sitzung bewältigt werden."
Ferner: - "Er malte seiner Bilder nicht, er stieß sie aus wie
vor Anstrengung kochenden Atem." In der Zeitspanne von 1887 bis
1889 hat er in paar hundert Bilder geschaffen. Seine Bilder sind
Kinder einer großen, mächtig bewegten Seele, Darstellungen der Natur
von erschütternder Tiefe und Macht und von grandioser Farbenpracht.
"Vielleicht hat es überhaupt nie einen Menschen gegeben, der so tief
In das, was uns heute als künstlerisch erscheint, eingedrungen ist -
ohne es zu ahnen", sagte ebenfalls Meier-Graefe über van Gogh.
Schwer nervenleidend, begab sich der Künstler im Jahre 1890
freiwillig in die Nervenheilanstalt in Auvers-sur-Oise, wohin er seinen
geliebten Freund Gauguin berief. In gemeinsamer Arbeit entstand
trotz seiner Krankheit eine Reihe herrlicher Bilder. Immer tiefer
sanken die Nebel des Wahnsinns auf ihn herab und nach einem
furchtbaren Anfalle reiste Gauguin tieferschüttert ab. - in einem
lichten Momente jagte sich Vincent van Gogh die todbringende Kugel
in den Leib, sprach noch klar und ruhig mit Dr. Gachet, seinem stän-
digen Begleiter, der ihn und seine Kunst stets verstanden hatte, die
Nacht und den folgenden Tag über Kunst und anderes Schöne, in-
dem er dabei noch manche Pfeife rauchte. Er starb am 29. Juni 1890.
Um Vincent van Gogh richtig zu verstehen, muß man seine Briefe
lesen, die er an seinen Bruder und Bernard richtete. *) Es gehört sicherlich zu dem Schönsten, was je ein Maler niederschrieb.
*) Bruno Cassirers Verlag, Berlin.
PAUL GAUGUIN ist am 7. Juni 1848 in Paris geboren. Er
Führte ein wildbewegtes Leben, brannte seiner Mutter schon mit 14
Jahren durch und wurde Matrose. Nach einer Reihe von Jahren
kehrte er nach Paris zurück und wurde Bankbeamter, verdiente viel
Geld, verheiratete sich und schien ein braver Familienvater werden
zu wollen, bis ihn plötzlich Bilder von Pissarro und Guillaumin der-
art begeisterten, daß ihn die Sehnsucht, Maler zu werden, aus seiner
Ruhe herausriß. Er war ein Universalgenie. Was er anpackte, gelang
Ihm. Ein glänzender Redner, Dichter, Bildhauer, Maler, Keramiker,
war er auch ein brillanter Sportsman, ein hervorragender Fechter
und Billardspieler. Mit 30 Jahren begann er seine Malerkarriere, und
zwar sofort mit bedeutendem künstlerischen Erfolge. 1886 ging er
in die Bretagne. Wie van Gogh in Holland, so malte er dort die
derben Bauerntypen. 1887 reiste er nach Martinique. 188 wieder in
Paris, veranstalteten seine Freunde eine Ausstellung seiner Bilder bei
Boussod & Valadon. Bald darauf zog er zu van Gogh nach Arles, wo
die beiden gemeinsam ihrer Kunst lebten, bis Gauguin nach einer durch
den immer stärker zutage tretenden Wahnsinn des armen Freundes
veranlaßten entsetzlichen Szene abreiste. Die Sehnsucht nach den
Tropen, die er als Matrose lieben gelernt hatte, packte ihn, den Farben-
freudigen, mit Allgewalt und dank seiner Freunde, die ihm durch den
Erlös eines Theaterabends (21. Mai 1891 im Vaudeville) die Mittel
schufen, konnte er diesen Plan verwirklichen und nach seinem über
alles geliebten Tahiti reisen. Als er 1893 wieder nach Paris voller Hoff-
nungen und Stolz mit seinem wundervollen Buch Noa Noa (einem
Werke vom einer Schönheit und einem Zauber, die es zu den vor-
nehmsten Dichtungen der modernen Literatur erheben) und einer
Serie herrlicher Bilder kam, erlebte er eine furchtbare Enttäuschung.
Niemand verstand seine Werke, ja man wollte sich überhaupt nicht
Die Mühe geben, sich in diese exotischen Schöpfungen zu vertiefen.
Nach einer trostlosen Auktion seiner Bilder zog er wieder nach Tahiti,
um nie mehr Europa zu betreten.
Am 9. Mai 1903 starb Gauguin auf der Insel Dominique.
Berufene Schilderer haben die Kunst der beiden Meister in treff-
Lichen Worten gewürdigt - es sei hier besonders auf Meier-Graefes
"Entwicklungsgeschichte der Modernen Malerei" verwiesen.
Möge diese kleine, aber aus den besten Werken der beiden
Künstler zusammengestellte Ausstellung dazu beitragen, dem Ver-
ständnis Vincent van Goghs und Gauguin in München eine breitere
Grundlage zu gewinnen.
W.Z."
Additional Notes
Opening date taken from: